Als ich gebeten wurde, einen Artikel für das Mitteilungsblatt des Hospizvereins zu schreiben, hatte ich noch keine Ahnung, welches Gefühlschaos dies in mir auslösen wurde. Ich fing ganz klassisch an, darüber zu schreiben, wie viele Teilnehmer wir sind[1] und aus welchen unterschiedlichen Bereichen wir kommen, wie intensiv sich das Einführungswochenende gestaltete. Welche Themen wir bereits während der letzten Wochen betrachtet haben und welch wertvolle Erkenntnisse wir für uns mitnehmen konnten. Ja, all dies sind wichtige Aspekte. Gleichzeitig starrte ich auf den Text und spürte Traurigkeit in mir: „Das klingt wie ein Tatsachenschilderung aus der Schule.“ Und genau das ist es, was ich nicht möchte: einfach nur berichten.
Ich möchte begeistern, für die Arbeit, die unsere Ausbildungsleiter hier für uns leisten – allen voran Barbara Gonska und Heribert Zeller. Ihre Hingabe für diesen Kurs war vom ersten Moment der Ausbildung spürbar. Ich möchte DANKE sagen, allen Referenten und Referentinnen, die wir bereits erleben durften und auf die wir uns noch freuen dürfen! Doch nicht nur gegenüber unseren Kursleitern verspüre ich eine tiefe Wertschätzung, sondern auch gegenüber all den anderen Teilnehmer(inne)n. Sie sind durch ihre Zweifel gegangen, um an diesem Kurs teilzunehmen. Und sicher werden sie und ich noch Ängste durchleben, um anschließend als Hospizhelfer anderen zur Verfügung zu stehen.
Brückenbauer in eine andere Kultur
Diese Menschen sind für mich Brückenbauer in eine andere Kultur! Sie wollen den Sterbenden ein würdevolles Leben in ihren letzten Stunden ermöglichen. Diese angehenden Hospizhelfer halten Raum, für all die Emotionen, die bei den Sterbenden noch einmal hoch kommen: die Ängste des Loslassens, die Wut und den Zorn über das, was nicht gesagt oder getan werden konnte, die Traurigkeit über nicht gelebte Beziehungen und die Freude über die schönen Erinnerungen. Sie stellen all Ihre Bemühungen in den Dienst des Patienten. Von diesen Menschen braucht es mehr auf dieser Welt.
Lange Zeit fühlte ich mich sehr verwundbar, mit vielen Todesfällen, die innerhalb kürzester Zeit über mich hereinbrachen. Dann hörte ich in diesem Kurs von den Verlust-Erlebnissen der anderen. Mir wurde schmerzlich bewusst, was für eine große Last doch viele von uns mit durch das Leben tragen und oft gar nicht wissen, wem sie sich anvertrauen können. Für mich ist es kein Wunder, wenn viele von uns in der heutigen Welt in einer Depression versinken, nur weil wir versuchen in unserer Trauer weiter zu „funktionieren“ und niemandem zur Last fallen möchten.
Auch hier greift die Arbeit der Hospizhelfer/innen. In ihrer schwersten Zeit, stehen die Helfer den Anverwandten und den Trauernden zur Seite. Mit Empathie, wertschätzender Kommunikation und ihrer Zeit begleiten die angehenden Hospizhelfer aus diesem Kurs Menschen. Ich verspüre einen tiefen Respekt vor allen, die den Mut aufbringen, sich für einen solchen Kurs anmelden und in den schweren Stunden mit den Patienten oder Trauernden einfach nur SIND. Die wohl höchste Disziplin in der Begleitung des Sterbeprozesses: In Stille mit den Sterbenden zu sein und sich selbst komplett zurück zu nehmen.
Das Sterben ist Teil eines jeden Lebens. Dieser Schritt vom Bekannten ins Unbekannte. Unsere Aufmerksamkeit auf diesen Teil unseres Seins zu lenken ist oft unsere einzige Hilfsquelle. Darüber, dass wir uns unserer Sterblichkeit bewusst werden und damit auseinander setzen, verlieren wir diese lähmende Angst über dieses vermeintliche „Tabuthema“. Wenn wir diese Angst überwinden, durchbrechen wir die Mauern der Isolation und alten Glaubenssätzen: „Wir müssten es alleine schaffen.“ – Nein! – In dem Moment, indem wir etwas brauchen, sollten wir uns trauen und danach fragen! Und wenn es „nur“ ein paar Stunden sind, in denen mir jemand sein Ohr schenkt.
Hospiz-Verein Main-Spessart e. V.
Alle, die schon seit längerem mit dem Gedanken spielen an einem Hospizhelferkurs teilzunehmen, und alle, die ich mit diesem Artikel berühren konnte, schaut auf der Website des Hospiz-Vereins Main-Spessart e. V. vorbei. Unter „Ausbildungen / Schulungen“ sind detailliert die Informationen über die Ausbildungsinhalte zu finden.
Ich freue mich über jeden weiteren mutigen Helfer, der den Weg in diese Schulung findet und Sterbenden sowie Trauernden beistehen möchte.
Eußenheim, den 03.11.2016
Lisa Kuchenmeister
Training & Coaching
„Auch wenn wir an der grundsätzlichen Situation sterbender Menschen wenig ändern können – wir können versuchen, ihnen in dieser schwierigen Phase des Lebens beizustehen. Alle Bemühungen müssen also an den Bedürfnissen unserer Patienten orientiert sein.“
(Cicely Saunders)
[1] Für die, die sich die Frage stellen, wie viele Teilnehmer wir denn nun sind: Wir sind 14 Frauen und ein Mann.