Wenn uns ungeliebte Emotionen heimsuchen
„Gebrauchsanweisung“ für diesen Blogartikel:
Dieser Blogartikel ist laaaang. Es “schrieb es einfach aus mir heraus”. Ich behaupte: es lohnt sich, den Artikel komplett zu lesen und die darin vorgeschlagenen Experimente zu machen. Bei Experimenten wirst du aktiv und siehst die Ergebnisse an deinem eigenen Handeln. Das unterscheidet Tipps von Experimenten. Reines Lesen bringt keine neuen Ergebnisse. Hier geht es um emotionale Gesundheit und welche Chancen die Corona Krise mit sich bringt. Auch wenn du einige Punkte vielleicht bereits gehört hast, es geht darum, wie du sie einfach integrieren und wirksam anwenden kannst.
Turbulente Zeiten
Anfang der Woche wurde in Bayern aufgrund des Coronavirus (COVID-19) von Ministerpräsident Markus Söder der Katastrophenfall ausgerufen. Öffentliche Einrichtungen bleiben geschlossen, auch sonst hat sich vieles sehr verändert. Gestern Mittag schließlich hat der Freistaat Bayern aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus eine zweiwöchige Ausgangsbeschränkung verhängt.
Die Angst, welche Folgen die Pandemie des Virus Corona haben wird, insbesondere im Angesicht der Flut an neuen Nachrichten, ist bei vielen stark zu spüren. Auch die jetzigen Einschränkungen durch die Regierung bedeuten für die meisten* von uns eine starke Entschleunigung und das Zurückwerfen auf unser Innerstes.
*An dieser Stelle ein unendlich großes Danke an alle, die gerade das Gesundheitswesen und die Lebensmittelversorgung aufrecht halten.
Dort, wo wir unsere Taubheitsschwelle sonst vielleicht sehr hoch hatten, weil wir abgelenkt waren durch unseren Alltag, fangen wir auf einmal an zu fühlen. Es kommen Emotionen hoch, die sich ziemlich wahrscheinlich erst einmal unangenehm anfühlen.
Nehmen wir mich als Beispiel: Anfang der Woche teilte mir mein größter Auftraggeber mit, dass der Betrieb für mindestens die nächsten zwei Wochen (sehr optimistisch) schließen wird und mein Coaching erst einmal nicht weiter gebucht werden kann. Ich hatte bereits damit gerechnet. Mein Angstlevel war dementsprechend niedrig und mein Kopf klar. Doch dann berichtete die Mitarbeiterin weiter, wovor sie sich fürchtet. Siehe da, ich lies mich von der Angst anstecken und meine Panik stieg: “Was bedeutet das für mich / meine Selbstständigkeit, die Gesellschaft, Sterberaten bei älteren Menschen, unseren Umgang miteinander?” Einen Tag später erhielt ich dann die Nachricht, es handle sich um mindestens vier Wochen. Wieder setzte mein Kopfkino ein. Was kommt nach vier Wochen? Acht? Zwölf? Eine uralte Überlebens-Angst kam bei mir hoch. Aus Angst wurde Agression (“Das kann ja wohl nicht angehen, die übertreiben ja alle!”). Abgelöst wieder von einer vermischten Traurigkeit und Angst davor, wie sich der Virus auf uns Menschen auswirken wird. Wie ihr seht, ein Wechselbad der Gefühle.
Niemand von uns kann komplett durchblicken, welche Folgen diese Pandemie haben kann, und so kommen eine Menge Annahmen, Erwartungen und Überlegungen hoch, die wiederum stark das beeinflussen, was wir fühlen.
Wenn du mehr dazu lesen möchtest, wie dies zusammenhängt, dann empfehle ich dir meinen Blogartikel: “Warum du deinen Gefühlen nicht trauen solltest”.
Annahmen oder Meinungen in der Gesellschaft schwanken momentan in zwei extreme Gegenrichtungen. Auf der einen Seite absolute Panik, sich oder seine Liebsten anzustecken, was dazu führt, dass die Nachrichten alle paar Stunden gecheckt werden und Hamsterkäufe an der Tagesordnung sind (Stichwort: Toilettenpapier). Auf der anderen Seite herrscht eine absolute Leugnung/Gleichgültigkeit und viele von uns machen so weiter wie zuvor. Alleine diese beiden entgegengesetzten Haltungen entzweien Menschen. Hin bis zur vollkommen Isolation und emotionalem Rückzug. Diese Zeiten sind eine Herausforderung und dennoch sehe ich sie auch als große Möglichkeit.
Corona als Chance
Der Virus mit all seinen Konsequenzen kann ein riesen Geschenk sein. Lass dich von dieser Aussage bitte nicht triggern. Ich möchte die Auswirkungen, die der Virus haben kann, nicht klein machen, sondern deinen Blick auf eine Chance lenken, wie wir kraftraubende, alte Emotionen heilen können.
In unseren heutigen Zeiten sind wir sehr stark in unserem Kopf unterwegs. Oft zählt nur die reine Ratio, insbesondere auf der Arbeit. Gefühle zu zeigen gilt oft als schwach und so verlieren wir uns in pseudo-rationalen Argumentations-Schleifen, hinter denen unsere Emotionalität versteckt wird. In einer Gesellschaft, in der wir so stark auf den Verstand fokussiert sind und unser Handeln nur aus dem Kopf heraus stattfindet, geben wir all unsere Kraft, unsere Energie unseren Gedanken und der Logik. Ein Großteil von uns ist nicht mehr gut im eigenen Körper verankert. Das reicht hin bis zu einer sehr hohen Taubheitsschwelle unserer Gefühle. Auch körperliche Symptome werden negiert.
Wenn all unsere Aufmerksamkeit auf der Logik liegt, dann sind wir nicht vollständig in unserer Kraft, sondern verfallen leicht in blinden Aktionismus. Wir reagieren nach alten, nicht mehr dienlichen Mustern, da wir mit unserer Aufmerksamkeit und Energie nicht wirklich präsent bei uns sind.
Experiment 1: Wieder zentrieren
Yoga und Meditation sind sehr gute Praktiken, um wieder im Körper anzukommen und uns selbst zu spüren. Was ich gerne als sehr einfache und doch so wirksame Zentrierungsübung empfehle, ist folgende: Setze dich aufrecht hin, spüre dabei gut beide Fußsohlen auf dem Boden. Für eine noch bessere Erdung ruhen deine Hände, Handflächen nach unten, auf deinen Oberschenkeln. Atme tief bis in den Bauch, in deine Körpermitte, die sich genau zwischen deinen Hüftknochen befindet. Wenn wir uns dort hin zentrieren, weg vom Kopf, sind wir energetisch in unserer Kraft.
Konzentriere dich also auf deine Körpermitte, atme weiter und lass deine Aufmerksamkeit immer weiter dort ankommen. Wenn du bemerkst, dass du beispielsweise in Geschichten abschweifst, verurteile dich nicht dafür, sondern zentrier dich einfach wieder neu. Bring all deine Aufmerksamkeit zurück.
Wenn du magst, probier diese Übung gleich jetzt aus. Nimm dir wirklich mehrere Atemzüge Zeit dafür. Was stellst du fest? Kannst du spüren, wie es in dir ruhiger wird? Zukunft und Vergangenheit spielen auf einmal keine große Rolle mehr. Wichtig ist nur das Hier und Jetzt.
Ich empfehle jedem, diese Übung so oft wie möglich zu machen. Besonders dann, wenn du merkst, dass du nervös wirst, oder dir beispielsweise kleinere Unfälle passieren (an der Küchenzeile stoßen, etwas fallen lassen). Denn rate mal, was mit deinem Zentrum dann genau passiert ist? Es ist im Außen! Du bist nicht mehr bei dir, sondern hast dein Zentrum abgegeben.
Als weitere Experimente für eine gute Zentrierung, vor allem bei Angst und Panik, probiere folgendes aus:
Experiment 2: Bewusster Umgang mit Medien
Bestimme einen Zeitpunkt am Tag, an dem du dich über das aktuelle Geschehen informierst, und stelle dir dazu einen Alarm auf 30 Minuten. Danach keine Nachrichten mehr für den Tag. Denn wenn du immer wieder mit ähnlichen Bildern und Informationen überschüttet wirst, ist das belastend, bringt dich in das Gedankenkarussell zurück. Im schlimmsten Fall in eine Panik oder schlimmere Angstzustände.
Dasselbe Experiment gilt auch für die verschiedenen sozialen Medien und Chatgruppen. Beschränke deine Medienzeit hier auf das Nötigste. Fülle deine Zeit lieber mit den Dingen, die dich nähren. Beispielsweise einem Telefonat mit einem guten Freund oder einem guten Buch, dass du schon lange lesen wolltest.
Peter Beer hat ein spannendes Experiment gemacht, wie sich Informationsflut auf unser Gehirn auswirkt. Sein Video “Wie ich in 12h mein Gehirn kaputt gemacht habe” findest du auf YouTube.
Experiment 3: Was wirklich zählt – unser Sein
Gerade jetzt fragen wir uns vermehrt nach dem Sinn (des Lebens). Es kommen Fragen nach dem Warum auf. Wir hinterfragen Ziele und Ausrichtungen, sowohl unsere eigenen als auch die der Gesellschaft. Auf einmal haben wir die Möglichkeit zu erkennen, was wirklich zählt.
Unser Seins-Kern kann sich offenbaren, ohne all das ganze Tun und Handeln und Beweisen und Richtig sein. Ich hatte bereits in diesem Artikel über mein persönliches emotionales Chaos berichtet. Es ist nun an der Zeit zu fühlen und hinter die Dinge zu blicken. All die Geschichten unseres Egos loszulassen.
Nimm dir die Zeit folgendes aufzuschreiben und zu hinterfragen. Und bitte fühle, was diese Fragen mit dir machen:
- Wer glaube ich sein zu müssen?
- Was erwarte ich von mir zu tun oder wie ich mich verhalten müsste?
- Was glaube ich zu brauchen?
- Wo halte ich an dem fest, was ich will?
- Was fühle ich bei jeder dieser Fragen in mir?
Angekommen in der Ruhe unserer Mitte, in unserem Sein, da kann es zu einer Neuausrichtung in unserem Leben kommen. Denn was ich mich frage, ist: Wollen du und ich nach dieser Krise so weitermachen wie zuvor? Vollgeknallte Terminkalender, Umweltverschmutzung, übermäßiger Konsum, Vermeidung von Intimität und Nähe? Oder worauf besinnen wir uns wirklich? Das ist in der Tat meine größte Angst, dass wir einfach so weiter machen wie davor. Und hierfür sind unsere Emotionen ein großartiger Hinweis, das etwas geheilt werden darf.
Experiment 4: Erkennen von alten Emotionen
Dank Corona, tauchen in uns alte Emotionen auf, mit denen wir sonst nicht so konfrontiert werden. Lange habe ich an dem Thema gearbeitet “Ich muss sterben, wenn ich mich nicht durch Leistung beweise.” Mit Corona, kamen auf einmal einige dieser alten Ängste zurück: “Was ist, wenn ich jetzt nicht mehr Arbeiten kann, da ich Zwangspause machen muss? Was ist wenn, andere über mich bestimmen, was ich darf und was ich nicht darf?”
Emotionen kommen aus der Vergangenheit, sehr oft aus der Kindheit, und sind Gefühle, die uns damals überwältigt hätten. Um zu überleben, mussten wir eine angepasste Strategie entwickeln und unsere Gefühle wurden nicht vollendet, also nicht richtig gefühlt, sondern verdrängt. Sie dienen uns als Hinweis dafür, dass hier etwas geheilt werden will.
Wenn du dich genauer mit dem Unterschied zwischen Gefühlen (im Jetzt, um zu handeln) und Emotionen (aus der Vergangenheit, um etwas zu heilen) beschäftigen möchtest, dann lies dazu gerne meinen Blogartikel “Gefühls-Chaos hoch 3”. Außerdem lege ich dir sehr die Bücher von Vivian Dittmar ans Herz, vor allem “Gefühle & Emotionen – Eine Gebrauchsanweisung”.
Ganz getreu dem Ressonanz-Gesetz erlebt jeder gerade seine persönliche Realität mit Corona. Wie du es erlebst, ist genau richtig, um daraus mehr Bewusstsein zu erschaffen. Genau die Gespräche, die dich triggern, Nachrichten die einen alten Schmerz in dir hoch holen. Orientiere dich dabei an den vier Grundgefühlen, um diese alten Emotionen aufzudecken. Auch hier, nimm dir Papier und Stift und beobachte genau, welche Emotionen und Sätze bei dir hoch kommen:
- Wovor habe ich Angst? Was lässt mich einfrieren oder in einen Panik-Modus verfallen? Habe ich Angst mich anzustecken? Bankrott zu gehen? Angst vor Kontrollverlust? Wo spüre ich vielleicht sogar gar nichts mehr? (Ja, auch das ist Angst, Angst zu fühlen.)
- Welche Situation macht mich wütend? Was lasse ich mir nicht gefallen? Wo fühle ich mich ohnmächtig? Welche Verhaltensweisen von anderen machen mich rasend?
- Was lässt mich traurig werden? Isoliere ich mich von anderen? Welche Sehnsüchte sind da?
- Was bereitet mir Freude? Vielleicht sogar Schadenfreude?
Das was uns triggert, entsteht ja nicht gerade jetzt. Sondern das ist eine alte Emotion, die wir schon lange in uns tragen und Corona schaffte es gerade, diese Emotionen zum Vorschein zu bringen. Es ist ein wertvoller Spiegel da genauer hinzuschauen. Und das ist eine der großen Chancen. Wenn wir bereit sind unangenehme Themen nicht länger weg zu drücken, dann können alte Emotionen geheilt werden.
Nimm dir am besten jeden Tag für einige Minuten Zeit, um dich zu zentrieren und mit dir selbst einzuchecken. Schreib dir auf, wie es um deine vier Grundgefühle steht bzw. welche alten Emotionen gerade hoch kommen.
Experiment 5: Sei Raumhalter fürs Einchecken
Das letzte Experiment, dass ich dir vorschlage, ist: Sei auch für andere da! Als Raumhalter und Zuhörer. Biete einen geschützten Raum an, in den der andere alles hineinsprechen darf.
Es ist Zeit, miteinander einzuchecken. Teile anderen mit, was in dir lebendig ist. Es mag Angst und Panik geben. Es könnte aber auch Freude sein. Oder Wut. Oder Traurigkeit. Share. Diese Worte sind in einem gemeinsamen online Trainer-Call aus mir heraus gepurzelt und meine Freundin und Trainer-Kollegin Eva Zitta hat sie mitgeschrieben.
In Zeiten von weitgreifender Angst braucht es Raum, diese auszudrücken und nicht zur nächsten ungelebten Emotion werden zu lassen. Es braucht auch Raum, wo wir uns mitteilen und zumuten dürfen, mit all dem was da ist. Abgründe, die uns vielleicht über uns selbst erschrecken. Geh nicht in Isolation, sprich andere an, wenn du etwas mitzuteilen hast und biete selber diese Räume an. Lass uns füreinander da sein.
Und hier ist mein kostenfreies Angebot für dich: Wenn du dir in Zeiten von Corona ein Ohr zum Einchecken wünschst, dann ruf mich an. Das können bereits wenige Minuten sein, die einen Knoten lösen, es leichter machen. Wenn du darüber hinaus ein (Video-)Coaching möchtest, können wir dies ganz individuell vereinbaren.
Ich habe auch einige meiner Freunde im Possibility Management Trainerkreis gefragt, wer ebenfalls hierfür Raum hält.
Fühl dich frei, dich zu melden. Wir freuen uns:
- Lisa Kuchenmeister, lisa[at]lebeleichtigkeit.de, +49 15168455565, www.lebeleichtigkeit.de (Deutsch, Englisch)
- Eva Zitta, kontakt[at]evazitta.de, +49 1607840042, www.evazitta.de (Deutsch, Englisch)
- Melina Gallus, gallus.melina[at]gmail.com, +49 1742141213 (Deutsch, Englisch, Portugiesisch, Niederländisch)
- Anne-Chloé Destremau, annechloe.destremau[at]gmail.com, +62 85929917161 (WhatsApp only), www.annechloedestremau.org (Englisch, Französisch)
- Kathrin Düser, kathrin.dueser[at]gmx.de, +49 1607131631 (WhatsApp only), www.nextculture.de
- Habet Ogbamichael, habet_o[at]hotmail.com, +49 15734631648 (Deutsch, Englisch)
- Sophia-Magdalena Hofmann, somhofmann[at]yahoo.de, + 49 178 2371569, www.hofmannsophia.de (Deutsch, Englisch)
- Vera Franco, veralfranco[at]gmail.com, +44 7748934374, www.verafranco.org (Englisch, Portugiesisch, Spanisch)
Du bist am Ende des Artikels angekommen. Danke, dass du an aufrichtiger Gefühlsarbeit interessiert bist. Etwas zu ändern an der emotionalen Kompetenz in unserer Welt. Ein WIR zu kreieren anstatt Trennung. Ein Kanal für Heilung und Verbindung zu sein.
Herzlichst,
Lisa